Palermo, früher kamen sie vom Meer und sahen dich an der Küste liegen, wie eine goldene Perle in einer großen Muschel, umgeben von Zitronen- und Orangenhainen. Geschützt von hohem Fels, dem Monte Pellegrino und dem Monte Cuccio. Heute besuche ich dich mit der Bahn, aus dem Fenster sehe ich die Hochhäuser wie aufeinandergeschichtete kleine Schachteln mit Balkonen, darauf Satellitenschüsseln und fliegende Wäsche. Dazwischen dunkle Abrisshäuser, wohnt da noch jemand drin? Hauswände mit Graffiti, Plastikmüll mal eben aus dem fahrenden Auto geworfen. Du bist eine Millionenstadt, die Muschel ist ausgefüllt, die Obsthaine sind den hochgewachsenen Trabanten und Neuhausvierteln gewichen. Heute gleichst du weniger einer Perle als einer gefräßigen Krake, die mit ihren Armen in alle Richtungen greift.
Wenn man, wie ich am Hauptbahnhof, dem Stazione Centrale ankommt ist man schon mitten in der Altstadt, deine ganz eigenen Viertel zu erkunden braucht Tage, Wochen, Jahre, und so gebe ich mir keine Mühe gleich alles zu verstehen.
Zu Fuß merke ich schnell, dass deine Straßen endlos lang sind. Sie sind sehr geschäftig, vorallem habe ich noch nie so viele Fahrzeuge gleichzeitig auf der Straße gesehen, laut, bunt, chaotisch, aber es funktioniert.
Deine unzähligen Bars laden ein zur Rast, kaum trete ich über ihre Schwelle begegnet mir eine Oase an Annehmlichkeiten. Der Gast ist König, wie ich es aus deutschen Landen nicht kenne. Der Cafe, eilfertig gezaubert, der frische Orangensaft mit einer mechanischen Presse und Muskelkraft ausgepresst, als gäbe es einen Wettbewerb zu gewinnen.
Du bist eine Hafenstadt, mein erster Weg führt mich zum “porto”. Ich bin enttäuscht, ich gehe entlang von Mauern und Zäunen, finde das bewachte Tor und betrete militärisches Sperrgebiet. In deinen riesigen Hafenbecken liegen die großen Fähren, sie heißen nach ihrem Ziel, Neapel, Livorno, Cagliari, und ein Kreuzfahrtschiff, die Aida, ganze Hochhäuser. Jetzt erst sehe ich das Meer.
Nachdenklich bleibe ich bei der alten Stazione Marittima stehen, das Gebäude ist verwaist, Bauarbeiten, es wirkt klein und antiquarisch, obwohl es zu seiner Zeit, das Prestige und Empfangsgebäude darstellte für alle Besucher, die Sizilien auf dem einzig möglichen Weg, über das Wasser erreichen wollten.
Nachdem ich das nüchterne Hafengelände verlasse und über weitere Fußmärsche die befahrene Via Francesco Crispi hinauf gehe, erreiche ich die alten Festungsanlagen der Römer, Araber und Normannen. Dein Seehafen war uneinnehmbar, weshalb dich die Römer Panhormus “ganzer Hafen” nannten.
Heute ist Sonntag, die Rasenflächen rund um den alten griechischen Hafen “la Cala”, Anlegeplätze für Yachten, Sport- und Fischerboote sind Naherholungsgebiet für die Palermer, oder heißen sie Palermitaner?
Breite Verkehrsstraßen trennen den kleinen Hafen von dem Stadtteil, den sie La Kalsa nennen. Wie alles auf den ersten Blick zerstückelt, zwischen den Straßen eine Kirche, dann die Piazza Marina, in deren Mitte ein Park, darin Bäume aus einer anderen Welt.
Die Tafel verrät es, es sind großblättrige Feigenbäume. Diese wurden vor 150 Jahren gepflanzt, seitdem gehört Sizilien zum Königreich Italien. Giardino Gabrialdi ist der Freiheitsheld Italiens und Siziliens. Er hat die letzten Aristokraten, die Vizekönige aus Spanien vertrieben. Es gibt keine Stadt, kein Dorf in Sizilien, wo nicht eine Straße, ein Platz nach ihm benannt und ihm nicht ein Denkmal gesetzt ist.