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Es war mitten in der Nacht. Der Mond war noch nicht aufgegangen und schwere Wolken und der dichte Baumbewuchs nahmen noch das wenige Licht weg, das von der Milchstra-ße kam. Es schien, als säße ich hier im Reich der Toten, überzogen mit dem Bann der absoluten Dunkelheit. Kein Licht, keine Bewegung, kein Leben.
Allmählich konnten die Milliarden von Sternen ihre milchigen Nebel durch eine schmale Öffnung ihrer majestätischen Baumwipfel senden. Dieses Licht erschien wie die schwache Glut eines erloschenen Feuers und die weiße Rinde der Birken, die in diesem Wald zahl-reich vorhanden waren, verzauberte dieses Fegefeuer in ein mystisches, ja fast hysteri-sches Spiel.
Aber es war dennoch Leben in diesem dichten Wald. Huuuuu, Huuuuu, huhuhuhuuuu, Huuuu ertönte es aus unterschiedlichen Richtungen von den Herrschern der Nacht, den Eulen. Es war unheimlich in diesem dichten Wald. Aber ich fürchtete mich nicht, denn ich war hier zuhause. Dieses Zuhause war immer noch sicherer als mein bisheriges Zuhause.
Lange war es her, da lebte ich in einer schönen Dorfgemeinde drüben auf Island, im Nord-Westen der Insel, wo die Bevölkerung ihre großartige Kultur und Rechtsstaatlichkeit geboren hatte, unweit von Althing, dem Parlament von Island. Ich war jung und stark und die Liebe in mir war noch viel stärker. Unsere Dorfgemeinde besaß viele schöne und junge Mädchen. Eines davon zog mich ganz besonders an. Mich faszinierte dieses Mädchen. Ihre Anwesenheit und allein meine Gedanken an sie versetzten mich in ihren Bann. Ich hatte das Gefühl, dass auch ihre Liebe zu mir ebenso stark war wie die meine zu ihr. Die schönen Gedanken, wie ich mit ihr mein künftiges Leben teile, wie wir eine Familie gründen und wie wir gemeinsam alt werden, erfüllte mein ganzes Sein. Ich konnte mich mit ihr nur heimlich treffen. Erla hieß sie, Erla Johannnsendottir. Ja, wir mussten uns heimlich treffen, denn ihr Vater versprach meine Erla bereits einem anderen Mann, nämlich Leifur aus der selben Dorfgemeinschaft. Erla und ich überlegten immer wieder, wie wir unsere Liebe zusammenführen könnten. Im Dorf ging dies nicht, so dass wir gerne woanders hingegangen wären. Aber wohin? Die anderen Dorfgemeinschaften waren weit entfernt und sie hätten uns nicht aufgenommen. Schnell hätte es sich herumgesprochen, dass wir geflüchtet waren und dass wir den Willen des Vaters, Erla mit Leifur zu verheiraten, gebrochen hatten.
Ich entschloss mich daher, den Vater von Erla umzustimmen. Vielleicht würde aber auch ein Wunder geschehen. Ich wusste nicht, wie ich mein Ziel erreichen könnte. Ich wusste nur, dass ich mein Glück versuchen wollte, ja sogar versuchen musste, weil ein innerer Zwang mir dies gebot. Ich war bereit, all das anzunehmen, was mir widerfahren würde - zu stark war meine Liebe zu Erla. Ich fürchtete die Untätigkeit und den Verlust meiner Achtung vor mir selbst mehr als alles andere.
Meine Entschlossenheit, um Erla zu kämpfen, war für jedermann im Dorf sichtbar. Das weckte Ängste beim Vater von Erla. Und das weckte auch Ängste bei Leifur und auch bei den Brüdern von Erla, die den Bruch einer Familientradition sahen, wonach der Vater bestimmt, wen seine Tochter zum Manne zu nehmen hatte.
Huhuuuuu, huhuuuuuu, Huuuu …… schon wieder dieses aufgeregte Geschrei in dieser ansonsten absolut stillen und finsteren Nacht. Ich hörte von überall her dieses Huhuuuu, huhuuuuu …… von links, von rechts, von vorne und von hinten …… Wie viele Eulen waren hier im Wald? Seltsam, dass es heute so viele waren Warum dieses aufgeregte Fliegen in dieser absolut dunklen Nacht? Wollten mir die Eulen etwas sagen? Wollten sie mich war-nen?
Aber bis hierher in den tiefen Wald kamen keine Feinde. Hier lebten wilde Bären und die Wolfsrudel waren vor allem in den Wintermonaten bei ihrer Suche nach Nahrung sehr gefährlich. Auch ich wäre nie hierher gekommen, wenn ich eine andere Wahl gehabt hät-te. Ich hatte sie nicht.
Die Brüder von Erla hatten mich vor dem Stammesgericht angeschwärzt. Sie behaupte-ten, ich hätte mich mit Erla verabredet, in der kommenden Nacht zu flüchten. So ganz abwegig war dies ja nicht, weil wir diesen Gedanken ja immer hatten aber wir ja nicht wussten, wohin wir flüchten sollten. Wir hatten keinen konkreten Plan. Die Brüder von Erla aber behaupteten, dass wir uns bereits konkret zur Flucht in dieser Nacht verabredet hätten, dass sie diese Verabredung heimlich mitgehört hätten und dass zu unserem Plan gehöre, noch vieles heimlich zu entwenden, wie Pferde, Fuhrwerk, Essensvorräte, Waffen und Decken. Auch dieser Gedanke war nicht so abwegig, denn wir hätten ohne einer solchen Ausrüstung nicht lange außerhalb der Dorfgemeinschaft überleben können. Aber einen konkreten Plan hatten wir nicht - das war gelogen.
Ich wusste, dass mich die Brüder von Erla über diesen Weg aus der Stammesgemeinde ausschließen wollten. Ich wollte mich vor dem Thing verteidigen, dem Gericht, bei dem ich auch angehört worden wäre und das eine angemessene Entscheidung getroffen hätte. Aber der Stamm entschied, selbst zu entscheiden und mir nicht den Weg zum Thing zu ermöglichen. Nur die wichtigsten Fälle kamen ja vor das Thing. Mein Fall war offensichtlich nicht wichtig genug. Der Tradition nach entschied in den meisten Fällen vorwiegend die Familie oder der Stamm und das gesprochene Urteil wurde auch von diesen vollstreckt. Der Stamm hatte ein Urteil gesprochen, nämlich meinen Ausschluss aus der Gemeinschaft. Die Verbannung war die härteste Strafe, die mich treffen konnte - und sie traf mich mit voller Wucht. Ohne den Schutz des Stammes war ich der rauhen Natur vollkommen ausgeliefert. Zudem wurde ich durch die Verbannung zum Rechtlosen.
Auf Island konnte ich daher nicht bleiben. Wo hätte ich leben und mich verstecken kön-nen? Hier gab es schon seit langem keine Wälder mehr, die mich hätten schützen kön-nen. Aber wir Wikinger waren ja ein See fahrendes Volk und so fuhr ich hinüber nach Norwegen und suchte mir in diesem Wald eine Erdhöhle, in der ich nun seit zwei Jahren lebe.Nun sitze ich vor meiner Höhle. Plötzlich kommt Wind auf. Er wird immer stärker und die Komposition mit den aufgeregten Schreien der Eulen führte zu einem Intermezzo immer stärker werdenden Bedrohlichkeit. Huhuu, huhuu, huhuhuuuuuuuu. Das Unbekannte kam immer näher.……………