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Ich halte es nicht aus in Neapel, ich brauche frische Landluft, gehen, schauen, denken, staunen, da ist Pompeji vielversprechend.
Zur frühen Stunde lösen wir eine Fahrkarte für die Circumvesuvina, sie ist quasi ein Metrozug, sie führt uns wie der Name schon sagt um den Vesuv herum. Sie ist übrigens privat, möchte gar nicht wissen wer hier den großen Reibach macht. Kann nur sagen die Züge sind Marke uralt und es wird kein Geld in ihre Erneuerung gesteckt. Es mischen sich Einheimische, Touristen und herrenlose Hunde in der Bahn. Wir durchkreuzen die "Vorortslums von Neapel".Wer zu den Ausgrabungsstätten Pompeji will steigt die Station "Villa of Misterious" aus. Wer jetzt an "Villa Drakula" denkt liegt zwar verkehrt, aber es lässt sich gut vermarkten. Was es mit dieser Villa auf sich hat erfahren wir später im antiken Pompeji. Die Haupttouristen in Neapel, Vesuv, Pompeij, Sorrent und Amalfiküste sind Engländer dicht gefolgt von den Amerikaner. Wir Deutschen sind an dritter Stelle, obwohl die humanistische Gymnasiasten und Lateinlehrer quasi mit Pompeji aufgewachsen sind.
Unsere Sorgen sind wie immer einfacher Natur, wohin mit den Ziehkoffern? Der Campingplatz mit dem schönen Namen "Zeus" hat ein Doppelzimmer direkt neben der Bahnstrecke. Schön sind nur die Orangenbäume vor dem Zimmer. Wir nehmen alles, Hauptsache Pompeji.Ich lese in einem Brief aus Goethes zweiter Italienreise über seinen Besuch in Pompeji 1787: "Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte. Ich weiß nicht leicht etwas Interessanteres."
Er meint den Vesuvausbruch aus dem Jahre 79 nach Christus, der Pompeji unter eine bis zu 25 Meter hohe Asche- und Bimssteinlawine begrub. Ausgelöst durch ein geändertes Bewusstsein in der bürgerlichen Gesellschaft die die Antike zu einer Art Ideal erhob, wurden die Ausgrabungen in Pompeji und Herculuneum zu den wichtigsten Stätten der Entdeckung europäischen Kultur.Somit war Goethe ein Mann der ersten Stunde und interessierter Zeitgenosse der Ausgrabungen.
Bis wir in den Park kommen ist es Mittag, Sperrstunde im Januar ist 17.00, die Stunde des Sonnenuntergang. Wie konnte sich diese Stadt, mit ihren Tempeln, Villen und Straßen solange halten? Die Antwort liegt auf der Hand, weil sie so lang verschüttet und konserviert war.Seit den Ausgrabungen sind sie nicht mehr geschützt, Luft, Wind und Wetter setzen dem alten Gemäuer zu. Die Korruption, die Millionen internationale Gelder zum Erhalt von Pompeji versickern lässt fällt sicher schwerer ins Gewicht als die vielen Touristen, die sich gern ein orginales Souvenir mitnehmen, ein Mosaiksteinchen hier, alter Tuffstein oder ein Mauerstück.
Wir gehen durch die Porta Marinara in das Ausgrabungsgelände.Pompeji war bereits 500 vor Christus eine befestigte Stadt mit Stadtmauern und Toren zum Schutze. Pompeji liegt in der italienischen Region Kampanien, am Fuße des Vesuvs, nördlich des Flusses Sarno kurz vor dessen Mündung in den Golf von Neapel. Früher, vor dem Ausbruch des Vesuvs lag Pompeji nur 700 Meter vom Meer entfernt, heute sind es 20 km. Die Tore sind nach den Himmelrichtungen angelegt, die Straßen durchziehen. schachbrettartig die Stadt, wie die modernen amerikanischen Städte, die auf dem Reißbrett entworfen worden sind.
Die vielen Tempel, der Venustempel und Apollotempel, mit den Säulengängen, massiven Marmoraltaren, und den Nischen mit Brozenen Statuen, zeigen die zentrale Rolle der Götter. In ihrem Zentrum liegt der große Marktplatz, denn beim Handeln, Handwerk, und Feilschen vergessen die Menschen nicht den Göttern zu opfern, in der Hoffnung sie mögen ihren Unternehmungen gewogen seien.
Auch die Straßen und Brunnen, wie die via merkurio, und der Merkurbrunnen, waren Göttern geweiht, wie Merkur der Gott des Handels, des Geldes und der Reisenden. In den Thermen wo sich die Reichen säuberten, entspannten und unter einfühlsamen Händen massiert wurden, zeigen Wandmalereien Szenen mit Göttinnen und Götter sowie den römischen Helden. Sexualität wurde freizügig gehandhabt, Genuss und Körperbewusstsein wurde offen und stolz demonstriert, die Darstellung eines Penis im Hauseingang wies fröhlich auf die Potenz des Hausherren. An den Glöckchen in Form des männlichen Hoden konnte klingeln, wer um Eintritt gesuchte.Das Haus des Fauns wird nach der kleinen Statue benannt die im Atrium in der nähe des Wasserbeckens gefunden wurde.
Die "Villa of Misterious" liegt ausserhalb der alten Stadtmauern von Pompeji. Sie war ein herrschaftlicher Landsitz und beinhaltet eine bedeutende Sehenswürdigkeit, ein nahezu komplett erhaltenes Wandfries im Salon der Villa. An der Rückwand sieht man den trunkenen, ekstatischen Dionysos an der thronenden Ariadne lehnen. Um diese Szene entwickeln sich, wie man annimmt, die geheimen Initiationsriten in den Kult der dionysischen Mysterien. Dionysius ist ein dreimal wiedergeborener Gott und im gesamten griechischen und römischen Götterhimmel bestimmt die interessanteste Gestalt. Ihm geweiht ist der Wein, das Theater, die Ekstase, er ist ein großer Trickser, ein Vermittler zwischen Götterhimmel und Menschenreich.
Alles in Pompeij zeugt von einer hochstehenden Gesellschaft, Patrizier, Bankiers, Ärzte, Bediensteten und Sklaven, Bauern und Handwerker, reiche Händler, Regierungsbeamte und Priester. Und der Ausbruch des Vesuvs zerschlug diese prosperierende Stadt, mitten im vollen Leben.
Die tiefliegenden Straßen mit Trottoir und Steinen zur Straßenüberquerung sind für die unzähligen hochrädige Karren angelegt worden, die entweder geschoben, oder als Fuhrwerk von Zugtieren gezogen wurden. In dem engmaschigen Straßennetz verliert sich heute noch manch ein Tourist, trotz Wegeplan und Audioguide.
Die Baukunst ist der Atriumstil, das ist so modern, dass es in den 70 er Jahren in vielen deutschen Städten, genau solche Häuser und ganze Siedlungen angelegt wurden. Das ebenerdige Wohnhaus ist rund um einen, in der Mitte mit kleiner Garten- oder Terassenanlage angelegt. So bildet jedes Haus eine kleine in sich abgeschlossene Einheit.Unsere Zeit ist schnell um, gerade dass wir noch das Amphitheater im Licht der untergehenden Sonne sehen können. Ich stand neben einem Mann der eine Gruppe junger Amerikaner, Engländer und Japaner führt. Er fragt sie welche Art Spiele hier wohl aufgeführt wurden. Jemand sagte halb zum Scherz "football". Der Führer erwidert ernst, die Aufführungen waren kein Spiel, es waren blutige Gladiatorenkämpfe, wilde Tiere zerrissen vor den Augen der zehntausend Schaulustigen ihre Opfer, oft Gefangene aus eroberten Ländern.
Am Eingangstor geben wir wieder das audioguide ab und lösen damit unseren hinterlegten Ausweis ein. Es wird schnell dunkel, die Füße tun weh, der Kopf ist voller Eindrücke. Zeit für ein leckeres Essen in dem heutigen Pompeji.
Herkulaneum haben wir nicht besucht, Schande über uns, obwohl es viele wertvolle Altertümer hat, Goethe beschreibt wie er dort mit Fackeln in die verschütteten Gruften hinabgestiegen war, ein wirklich grausiges Unterfangen, denn die Skelette waren gut erhalten.Unser Pensum an Antike ist ersteinmal gefüllt.
Am nächsten Morgen ist der Vesuv bewölkt, aus der Traum über den Golf von Neapel und die fruchtbare Ebene Kampaniens zu blicken.Goethe war am 19. März 1787 auf dem Vesuv. Damals war der Vesuv nicht so still. Goethe berichtet: Wir waren auf dem Aschenberge und dem mittleren Schlunde, starker Rauch quoll aus der tiefe. Wir waren kaum hinab als er zu tönen und Asche und Steine zu werfen anfing. Die Steine fielen auf dem Kegel nieder und rollten herab. Die Asche regnete lange nachher erst auf uns.
Wir nehmen wieder die Circumvesuvina, nein nicht zurück nach Neapel sondern weiter nach Sorrent, seit Jahrhunderten Ziel nordeuropäischer Italiensehnsucht.